Sie werden als „Wegwerfmädchen“ oder „moderne Sklavinnen“ bezeichnet. Sie stehen an dunklen Landstraßen und verkaufen ihren Körper an Männer, deren Sprache sie kaum sprechen, für Geld, das ihnen größtenteils direkt wieder weggenommen wird. 200.000 Zwangsprostituierte werden in der EU durch Menschenhändler an Zuhälter verkauft. Die Zahl ist nur eine Schätzung, das Dunkelfeld ist hoch.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion sieht dringenden Handlungsbedarf beim Thema Menschenhandel und Zwangsprostitution. Dies spiegelt sich auch im Koalitionsvertrag wieder, in dem unter anderem vereinbart wurde, Frauen vor Menschenhandel und Zwangsprostitution besser zu schützen, die Täter konsequenter zu bestrafen sowie das Prostitutionsgesetz umfassend zu überarbeiten.
Das Prostitutionsgesetz von 2001, das von Rot-Grün mit dem Ziel der Liberalisierung und rechtlichen Besserstellung der Prostituierten eingeführt wurde, hat im Endergebnis das kriminelle Begleitmilieu, Menschenhandel und Zwangsprostitution gefördert. Im EU-Vergleich hat Deutschland eines der liberalsten Prostitutionsgesetze und gilt heute vielen Sextouristen als Mekka für das Geschäft mit der Lust. Dabei entstehen menschenunwürdige Geschäftspraktiken, wie Flatrate-Bordelle, in denen für einen festen Betrag unbegrenzter Sex angeboten wird. Die Liberalisierung hat zu einer steigenden Nachfrage geführt. Da die „Bereitstellung des Arbeitsplatzes“ nicht mehr unter Strafe gestellt ist, hat die Polizei derzeit nur wenige Kontrollmöglichkeiten, in den Milieubereich vorzudringen, um Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution zu identifizieren. Dies ist ein Zustand, der auch von Experten des Bundeskriminalamtes wiederholt bemängelt wird. Hier müssen dringend ordnungsbehördliche Kontrollmöglichkeiten geschaffen werden. Eine Genehmigungsplicht für Prostitutionsstätten und eine Meldepflicht für Prostituierte sind für einen verbesserten Opferschutz essentiell.
Als Saarländerin habe ich mich mit dem Thema auch in meiner Heimat auseinandergesetzt, da das Saarland als Grenzland von einem regelrechten Prostitutions-Tourismus betroffen ist. Durch die Nähe zu Frankreich, wo Prostitution deutlich strenger reglementiert ist, suchen viele Franzosen Prostituierte und Bordelle im Saarland auf. Dieser erhöhte Sextourismus führte zu hohem Konkurrenzdruck und Preisdumping, auf das Bordellbetreiber unter anderem mit fragwürdigen Flatrate-Angeboten und Discounttarifen reagierten. Auf dem Straßenstrich im Saarland werden laut Zeitungsberichten sexuelle Dienstleistungen schon für 15 Euro angeboten.
Es ist unbestritten, dass die EU-Osterweiterung 2007 eine enorme Veränderung in diesem „Markt“ bewirkt hat. Studien belegen eindeutig, dass heute die meisten Opfer des Menschenhandels innerhalb der EU aus den Ländern Osteuropas stammen. Im Saarland kommen beispielsweise ca. 60 bis 70 Prozent der Prostituierten aus osteuropäischen Staaten. Die Folgen der postsowjetischen Zeit haben sich dort unter anderem in hohen Arbeitslosenzahlen und im Anstieg des organisierten Verbrechens niedergeschlagen. Die OSZE schätzt, dass in Europa jährlich ca. 120.000 bis 500.000 Frauen über die Landesgrenzen verschoben werden – wie viele davon letztlich als Zwangsprostituierte in Deutschland ihr Dasein fristen, ist unklar.
Im Saarland geht man nun entschieden gegen die Missstände vor und hat ein umfassendes Maßnahmenpaket verabschiedet, das u.a. die Änderung des saarländischen Polizeigesetzes für bessere Kontrollmöglichkeiten sowie die Ausweitung der Sperrgebietsverordnung beinhaltet und Anregungen für bundesgesetzliche Änderungen macht. Auf Bundesebene werden wir als Union die Vorschläge aufgreifen. Derzeit arbeiten wir an der Änderung der Gesetze, die sowohl die legale Prostitution betreffen als auch die Opfer von Zwangsprostitution besser schützen soll.
Zu einem verbesserten Schutz gehört für mich das Verbot menschenunwürdiger Praktiken. Ein weiteres wichtiges Thema ist mit Blick auf die Situation der Opfer, eine aufenthaltsrechtliche Verbesserung in Aussicht zu stellen: Opfer, die illegal in Deutschland sind, scheuen sich vor einer Aussage gegen ihre Peiniger, da sie eine Abschiebung befürchten, sobald sie sich an die Polizei wenden. Die Aussagen der Opfer sind aber notwendig, um den Menschenhandel effektiv zu bekämpfen.
Auch die Einführung einer regelmäßigen Untersuchung durch die Gesundheitsämter ist in meinen Augen sinnvoll. Diese soll nicht als „Gängeln“ der Prostituierten verstanden werden und allein der medizinischen Vorsorge dienen, sondern als praktische Möglichkeit für eine niedrigschwellige Kontaktaufnahme von Zwangsprostituierten zu helfenden Behörden. Hintergedanke dabei ist, dass viele Opfer quasi keine Möglichkeit haben, sich an Hilfsorganisationen zu wenden; beispielsweise weil sie schwer traumatisiert sind, Angst vor einer Abschiebung haben, sobald sie sich an offizielle Stellen wenden oder Sprachbarrieren bestehen. Der Druck, unter dem die Frauen stehen, ist vielschichtig und subtil. Viele Zwangsprostituierte – auch deutsche Frauen – werden beispielsweise von ihrem „Freund“ zur Prostitution überredet, geraten in eine finanzielle und psychologische Abhängigkeit, werden manipuliert, später auch zur Prostitution gezwungen – die Übergänge sind häufig fließend. Hier müssen zielgruppenspezifische Betreuungs- und Beratungsangebote greifen, die die Frauen über ihre Rechte aufklären, Ausstiegswillige unterstützen und psychologische Unterstützung bieten.
Ich bin der Meinung, dass das im Prostitutionsgesetz verankerte Weisungsrecht des Arbeitgebers abgeschafft werden muss. Obwohl das eingeschränkte Weisungsrecht weder den Zuhältern und Bordellbetreibern eine Zuweisung von Kunden erlaubt noch den Anspruch des Freiers auf Vollzug des Sexualkontaktes begründet, wird es als Vorwand für eine „dirigistische Zuhälterei“ missbraucht.
Diese sowie weitere Maßnahmen diskutieren wir derzeit fraktionsintern. Unsere Vorschläge werden wir mit dem Koalitionspartner beraten und setzen auf eine zügige gesetzgeberische Initiative.
Wir müssen entschieden gegen diese Menschenrechtsverletzungen vorgehen und gemeinsam an effektiven Lösungsansätzen arbeiten. Klares Ziel der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist es, die Situation von Prostituierten zu verbessern und einen besseren Schutz vor Zwangsprostitution zu gewährleisten. Es hat hier in den letzten Jahren eine Entwicklung stattgefunden, die wir als Gesellschaft nicht hinnehmen dürfen. Dabei geht es nicht um den Rückfall in moralische Wertvorstellungen der 50er Jahre, sondern ganz konkret um die Bekämpfung von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung. Es geht um das Recht auf Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit als unveräußerliche Grundrechte.
Und es geht um Menschenrechte.
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