Der Digitalstrategie fehlt Zukunftsmut

Der Digitalstrategie fehlt Zukunftsmut

Lange haben wir auf die Digitalstrategie der Bundesregierung gewartet. Angekündigt war sie für Juni, beraten werden soll sie nun am letzten Tag im August auf der Kabinettsklausur in Meseberg. Der erste Blick ins Papier: enttäuschend. Der Text versprüht weder Aufbruchstimmung noch Ideenreichtum. Es ist eine seltsame Mischung aus Wunschdenken einerseits und ambitionslose Auflistung von Maßnahmen andererseits. Vieles bleibt vage. Der „Aha-Effekt“ – so soll es digital in Deutschland laufen – stellt sich nicht ein. Schade, denn genau das bräuchte es nun. Sechs konkrete Punkte:

  1. Die Strategie wird ihrer Zeit nicht gerecht. Das Zielbild bleibt unklar, die Strategie wirkt wie aus der Zeit gefallen. Dass die Digitalisierung den Alltag der Menschen verbessern kann und wird, wird in vielen Szenarien dargestellt. Seitenlang wird beschrieben, wie die digitale Welt aussehen könnte, in der wir per Mausklick einen BAföG-Antrag während der Zugfahrt vom Heimatort zur Universitätsstadt stellen und mit smarter Mobilität von Eberswalde nach Kastellaun reisen. Nice. Aber müssen wir uns nicht seit Februar diesen Jahres viel fundamentaleren Fragen stellen? Was bedeutet „Zeitenwende“ mit Blick auf Digitalisierung? Wie stark sollte unsere digitale Souveränität sein und wie kommen wir dahin? Wie schmieden wir Allianzen für Lieferketten und Datenaustausch? Wie begegnen wir Desinformation und hybriden Bedrohungslagen? Was heißt digitale Resilienz? Um diese harten und strategischen Fragen macht die Stratege einen Bogen. Unklar bleibt sogar, ob andere Strategien wie die Cybersicherheitsagenda des BMI inkludiert sind. Teile finden sich wieder, wie die Stärkung des BSI, anderes fehlt, so etwa die Forderung nach aktiver Cyberabwehr. Diese Strategie hätte so auch vor einem Jahr geschrieben werden können. Den neuen Realitäten und ihren Auswirkungen auf die digitale Welt wird sie nicht gerecht.
  2. In jeder Unternehmensstrategie bilden Meilensteine, Etappenziele und Kennzahlen die Grundlagen. Doch in der vorliegenden Digitalstrategie fehlt das alles oder wird ambitionslos ausgestaltet. Das große Ziel der Strategie ist es, sich im DESI-Ranking vom derzeitigen Platz 13 auf einen der ersten 10 Plätze vorzuarbeiten – im „laufenden Jahrzehnt“. Sehr ambitioniert ist das nicht. Bei mehreren Zielen wird angekündigt, sich an Verbesserungen messen zu lassen. Dann wird aber nur die Ausgangslage genannt, nicht aber das Ziel, das man erreichen will. Eine Verbesserung um einen Prozentpunkt, etwa beim Anteil der Gründerinnen, bei der Anzahl der Unicorns oder bei den IT-Absolventen wären also schon eine Erfüllung dieser Ziele.
  3. Wo ist der Fokus auf die Digitalisierung und Modernisierung des Staates geblieben? Im Sondierungspapier der Koalition war dieser Punkt noch auf Platz 1, auch im Koalitionsvertrag waren dem Thema kraftvolle Passagen gewidmet. Doch offensichtlich ist die Bedeutung dieses Themas in der Ampel jetzt einem Abwärtstrend ausgesetzt: der `lernende und digitale Staat´ findet sich in der Strategie als letztes Thema und auch hier fehlen Zukunftsmut und Tatendrang. Dringende Meilensteine der Verwaltungsmodernisierung werden nicht angegangen. So sollen etwa beim Onlinezugangsgesetz (OZG) lediglich die 35 priorisierten Leistungen bis 2025 digitalisiert werden. Was ist mit den restlichen 540? Das Dashboard der Regierung ist leider „off“. Bei der Registermodernisierung wird sogar die Bremse eingelegt. Man wolle das Gesetz – das gerade einmal vor einem Jahr von Bundesrat und Bundesrat verabschiedet wurde – „verfassungsfest reformieren“. Klar ist: die ganze Reform der Register verzögert sich damit um Jahre. Auf unsere Nachfrage hin, erklärte die Bundesregierung nur noch lapidar, bis 2025 „wesentliche Umsetzungsschritte“ zum Datenaustausch der Registerlandschaft erreichen zu wollen. Das klingt nicht nach Fortschritt und Ambition. Auch ein weiteres zentrales Vorhaben scheint die Ampel zu verschleppen: ein „vertrauenswürdiges, allgemein anwendbares Identitätsmanagement“. Erst vor kurzem kam erstmalig eine interministerielle Arbeitsgruppe unter Federführung des BMI zusammen, um die drängenden und zukunftsweisenden Fragestellungen zu digitalen Identitäten aufzugreifen.
  4. Unklar und unzureichend sind nach wie vor die Zuständigkeiten und Kapazitäten. Angesichts wirtschaftlich schwieriger Zeiten erwarten die Menschen mit gutem Recht, dass auf staatlicher Ebene effizient gearbeitet wird. Die Bundesregierung müsste eigentlich alles daran setzen, zügig schlanke und digitale Strukturen zu verwirklichen. Doch in der Digitalstrategie lassen sich greifbare Botschaft vermissen, die verschiedenen Ebenen aus Bund, Ländern und Kommunen zu einer agilen und konstruktiven Zusammenarbeit zusammenzuführen sowie an den entscheidenden Stellen zu stärken. Das Gegenteil ist der Fall. Die Bundesregierung ist seit Monaten dabei, die Ressorts umzubauen, dort neue Leute einzustellen und Zuständigkeiten zu diskutieren, statt operative Bereiche wie beispielsweise die FITKO zu stärken – obwohl dies noch im Koalitionsvertrag versprochen wurde. Wie es konkret weitergehen soll, bleibt hier weiterhin genauso schwammig, wie die Anschlussfinanzierung des OZG mit den EfA-Leistungen ab dem Jahr 2023.
  5. Und wer auf eine verlässliche Aussage über das groß angekündigte Digitalbudget hoffte, mit dem die Digitalstrategie ab 2023 finanziell gestützt werden soll, sucht auch hier vergeblich. Daran fehlt es sowohl in dem Strategieentwurf als auch im Haushaltsentwurf 2023. Dies steht dem im Koalitionsvertrag öffentlichkeitswirksam angekündigten `zentralem und zusätzlichem Digitalbudget´ entgegen.
  6. Wunsch und Wirklichkeit klaffen auseinander. Die Ampel postuliert den „digitalen Aufbruch“. Ihre konkreten Handlungen sind aber das Gegenteil. Landauf landab ärgern sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber darüber, dass in Deutschland durch die neue Regulierung des BMAS künftig alle Arbeitsverträge ausgedruckt und abgeheftet werden müssen – digitaler Aufbruch adé. Der Digitalcheck wird als großer Durchbruch verkündet. Fakt ist: Das Verfahren ist seit 2021 ausgearbeitet – es wurde aber bei den jetzt verabschiedeten Gesetzen nicht angewandt, zumindest haben wir das nicht transparent gesehen. Beim BaföG-Gesetz hatten wir die Antragstellung bereits digitalisiert, nun hätte die Digitalisierung der Prozesse im Backend folgen müssen. Entsprechende Anträge unserer Fraktion wurden aber abgelehnt. Die Bundesregierung verpasst die Chance, gemeinsam mit Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft ambitionierte Visionen zu entwerfen und auf diese messbar hinzuarbeiten. Der digitalen Zeitenwende werden die Pläne der Bundesregierung nicht gerecht. Der Digitalstrategie fehlt Messbarkeit, Transparenz und Ambition.
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Gespräche zur 19-Tage-Regelung für Grenzgänger geplant

Gespräche zur 19-Tage-Regelung für Grenzgänger geplant

Ich setze mich persönlich seit Jahren für eine Ausweitung der sogenannten 19-Tage-Regelung ein. Nach den aktuell geltenden Bestimmungen dürfen in Deutschland lebende Luxemburg-Pendler nicht mehr als 19 Tage im Homeoffice arbeiten ohne steuerliche Nachteile zu erhalten. Die aufgrund der COVID-19-Pandemie beschlossene Ausnahmeregelung endete zum 30. Juni 2022.

Nach der Kündigung der Ausnahmeregelung muss eine Lösung für Grenzpendler gefunden werden, die zeitgemäß ist. Ich habe daher wiederholt beim Bundesfinanzministerium nachgefragt, ob sich die Bundesregierung für eine Anpassung des geltenden Doppelbesteuerungsabkommens mit dem Großherzogtum Luxemburg insbesondere in Bezug auf eine Kodifizierung bzw. Anpassung der 19-Tage-Regelung für Grenzgänger einsetzt.

Aus der Antwort des Bundesfinanzministeriums auf meine schriftliche Frage geht hervor, dass Luxemburg von deutscher Seite vorgeschlagen wurde, Gespräche zur Anpassung des geltenden Doppelbesteuerungsabkommens durchzuführen. Auf Wunsch vom Großherzogtum Luxemburg solle zunächst ein Sondierungsgespräch geführt werden, in dem auch der potentielle Kodifizierungs- und Anpassungsbedarf der 19-Tage-Regelung für Grenzgänger in Bezug auf im Homeoffice verbrachte Arbeitstage thematisiert werden soll.

Ich freue mich, dass das Bundesfinanzministerium die Problematik erkannt hat und das Sondierungsgespräch noch in diesen Tagen stattfinden soll. Bedauerlicherweise bleibt das Bundesfinanzministerium sehr vage in Bezug auf die konkreten Anpassungen, die die Bundesregierung anstrebt.

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G7-Digitalministertreffen als historische Chance

G7-Digitalministertreffen als historische Chance

Als Ende April über die Zukunft des Internets global verhandelt wurde, appellierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eindrücklich: „Die Zukunft des Internets ist auch die Zukunft der Demokratie, die Zukunft der Menschheit“. Große Worte. Und wahre Worte. Sie sind das „Sounding Board“ für das Treffen der Digitalministerinnen und -minister der G7-Staaten diese Woche in Düsseldorf.

Es ist nicht irgendein Treffen, sondern das erste seit dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine. In meinen Augen segelt das Treffen noch zu sehr unter dem Radar. Deutschland hat durch die aktuelle Präsidentschaft die große Chance, nicht nur die Agenda, sondern die Ergebnisse wesentlich zu steuern. Daran habe ich fünf Erwartungen:

Die „Declaration for the Future of the Internet“ mit Leben füllen

Die G7-Staaten sind sich einig darin, dass die digitale Transformation nach demokratischen Werten gestaltet werden muss. Alle haben die „Erklärung für ein of­fe­nes, frei­es, glo­ba­les, in­ter­ope­r­a­bles, zu­ver­läs­si­ges und si­che­res In­ter­net“ vom 28. April unterzeichnet und sollten jetzt die Chance nutzen, konkret zu werden.

Immer deutlicher tritt zu Tage, dass der Wettbewerb der Systeme die digitale Transformation prägt und umgekehrt. Dabei hat die weltpolitische Entwicklung die Europäer und die transatlantische Bindung zusammengeschweißt. Die Unterschiede zwischen dem kapitalistischen System der USA und unserer sozialen Marktwirtschaft will ich nicht klein reden und auch nicht die Notwendigkeit, als EU gegen amerikanische Plattformen stärker und selbstbewusster zu agieren. Aber zeigt uns dieser Krieg nicht, dass wir gerade unter den G7-Staaten stärker das Verbindende suchen müssen?

Wir brauchen eine gemeinsame Vorstellung, nach welchen Grundprinzipien die digitale Welt gestaltet werden soll. Und diese gemeinsame Vorstellung gilt es mit Innovationsfähigkeit und konkretem wirtschaftlichen Erfolg zu festigen. Das gilt insbesondere für die EU, die stark bei der Definition von Werten ist, aber schwach in der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit. Nur wenn beides zusammenkommt und wir unter den G7 Staaten gemeinsam agieren, können wir auch selbstbewusst den Systemwettbewerb gegenüber anderen Systemen führen.

Souveränitäts- und Sicherheitsfragen auf die Agenda setzen

Ursprünglich sollte das Treffen unter dem Motto „Digitalisierung und Nachhaltigkeit“ stehen. Im Lichte der durch den Ukraine-Krieg verschärften geopolitischen Spannungen spielen sicherheitspolitische Aspekte eine größere Rolle. Verschiedene Staaten nutzen das Internet zur Kontrolle ihrer Einflusszonen schon jetzt. Das jüngste Beispiel ist wenige Tage alt: mit dem Versuch Russlands, den Datenverkehr der teilweise besetzen Stadt Cherson über russische Infrastrukturen zu leiten.

Das Bekenntnis des Bundesministers für ein freies und sicheres Internet muss untermauert werden. Denn die Frage ist schon längst nicht mehr, OB das Internet verteidigt werden muss, sondern WIE mehr erreicht werden kann. Zum Beispiel, wie gegen Manipulation, russische Hackerangriffe und Troll-Aktionen gemeinsam wirksamer vorgegangen werden kann. Das Momentum sollte genutzt werden, um über eine G7-Positionierung mit Blick auf Souveränitäts- und Sicherheitsfragen zu sprechen.

Mehr Transparenz und Führungsstärke zeigen

Leider ist die Zielformulierung der Bundesregierung in der internationalen Digitalpolitik bis zum jetzigen Zeitpunkt noch intransparent und vage, was wir als Opposition schon länger kritisieren. In der Antwort auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zur G7-Präsidentschaft wurden lediglich die bereits bekannten Arbeitsschwerpunkte paraphrasiert. Dies gibt zwar Anhaltspunkte für die kommenden Gespräche, ist aber keine wirkliche politische Strategie. Die vergangene Multi-Stakeholder-Konferenz ist unter dem Partizipationsgedanke zu begrüßen, aber die Bundesregierung darf sich nicht dahinter verstecken. Wir fordern eine aktive G7-Präsidentschaft, die nicht nur zu Gesprächen anregt, sondern selbst eine aktive Rolle einnimmt und die globale digitale Ordnung durch eigene Positionen mitgestaltet. Jetzt müssen aus den symbolischen Erklärungen konkrete Maßnahmen werden.

Standardisierung und Interoperabilität vorantreiben

Die Bundesregierung sollte auf die Fortschritte der vergangenen Jahre aufbauen, insbesondere auf das Konzept „Data Free Flow with Trust“, und internationale Datenräume forcieren. Die Entwicklung regelbasierter Standards und Normen ist nicht nur für Datenflüsse, sondern für verschiedenste Bereiche digitaler Infrastrukturen enorm wichtig. Standardisierung ist ein Schlüsselaspekt von digitaler Souveränität. Schon im Juni 2021 hatten wir eine „Standardisierungs-Initiative für Europa“ gefordert, um die europäischen Einflussmöglichkeiten zu sichern. Aus wirtschafts-, wie geopolitischer Sicht braucht es hierbei mehr Tempo, andernfalls sind Vorsprünge von internationalen Playern wie China (etwa bei der Netzinfrastruktur) auch in Zukunft nicht einzuholen. Gleichermaßen muss auch der Interoperabilitätsgedanke gestärkt werden. In den Debatten rund um Digital Services Act und den Digital Markets Act war dies ein Diskussionspunkt mit den großen Tech-Konzerne – das Verständnis von Interoperabilität muss gerade mit Partnern wie der USA geklärt werden.

Im eigenen Land mutig vorangehen

Die Bundesregierung hat mit der G7-Präsidentschaft eine große Chance. Nicht nur das Digitalministertreffen, sondern auch der transatlantische Trade and Tech Council und Vorhaben zivilgesellschaftlicher Stakeholder bieten Gelegenheit dazu, Deutschland als wichtigen Player internationaler Digitalpolitik zu positionieren. Dafür muss die Bundesregierung aber auch ihre Hausaufgaben machen, beispielsweise den Sovereign-Tech-Fund finanzieren, das Zentrum für digitale Souveränität (Zendis) auf den Weg bringen, gemeinsam an digitalen Identitäten arbeiten und schleunigst eine Digitalstrategie auf den Weg bringen, die nicht nur auf das Narrativ wert legt, sondern konkrete Optimierungsvorschläge bietet.

Das G7-Digitalministertreffen ist eine große Chance, die Zukunft des Internets maßgeblich zu prägen. Als Parlamentarierin werde ich gemeinsam mit der Zivilgesellschaft die Beratungen aufmerksam verfolgen. Ich hoffe, dass meine Erwartungen erfüllt werden.

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